|
|
|
|
Christiane Middendorf (Deutschland)
|
|
|
|
|
|
|
|
Malstil
“Kunst ist nie dasselbe, sie ist immer andersartig. Sie ist für mich ein Ausdruck von Affekten, Erfahrungen, Beziehungen, Begegnungen mit Anderen, von Träumen, Gedanken, Ängsten, Schmerzen, Wünschen, Zufällen und / oder Zwängen. Trotzdem verliert sich meine Kunst nicht im Diffusen. Ich versuche, ihr eine wieder erkennbare Gestalt zu geben, die sie unverwechselbar macht und somit mir zugehörig. Dies stellt eine fortwährende Arbeit dar und ist nie losgelöst von meinem Selbst. Mein Selbst findet eine Darstellungsform und versucht, sich darin auszudrücken. Dies ist jedes Mal ein sehr individueller Prozess. Zufälligkeit und bewusste Wahl sind im Prozess der Gestaltung enthalten. Jedes Mal versuche ich, die bestehenden Möglichkeiten, die sich mal erweitern und mal verengen, neu zu erschließen und zu nutzen. Innerhalb dieses Gestaltungspotentials findet der schöpferische Akt statt. Die Abstraktion bietet mir die Möglichkeit, mich innerhalb der Möglichkeiten frei zu bewegen. Die Abstraktion von Brüchen, Trennungen, Verzweigungen, Unterschieden stellt für mich seit einigen Jahren das Thema. Immer wieder stelle ich fest, wie sehr offen scheinende Unterschiede in ihrer Gesamtheit eine Einheit bilden können. Brüche, Trennungen führen nicht zu zwei Welten, sondern sie können sich im Ganzen vereinigen und bilden durch die Unterschiedlichkeiten ein Spannungskonzept, welches Neues hervorbringt. Die Gestaltung dieses unerschöpflichen Themas stellt für mich selbst wie auch für meine Malerei den Schwerpunkt. Unterschiede erkennen, wahrnehmen, sie auflösen, sie neu gestalten und sie neu realisieren, ist die Herausforderung, der ich mich mit Farben, Flächen, Formen sehr individuell annähere . All diese Momente, die entstehen, bedingen sich und verschaffen mir den Raum, schöpferisch zu gestalten. Jeder neue Weg, jede neue Möglichkeit will ertastet werden, bevor etwas Neues entstehen kann. Meine Bilder sind als Prozess zu verstehen, doch sie bauen nicht zwangsläufig aufeinander auf, sondern verzweigen sich und lassen Dinge offen für Veränderung. Jedes entstandene Bild hat eine Rückwirkung und bewirkt ein anderes Herangehen an das Kommende. So entwickelt sich ein Lernprozess, der immer wieder die neue Grundlage zur Abstraktion darstellt. Es ist stets eine Auseinandersetzung mit meiner Person. Das Thema Brüche, Trennungen, Unterschiede stellt sich mir genauso wie jedem anderen Menschen täglich, und es ist die abstrakte Auseinandersetzung, die für mich neue Ansätze der Wahrnehmung schafft. Meine Bilder zeigen eine Wahrnehmung von Unterschieden, die auf jeden Betrachter in unterschiedlicher Weise wirken und zur Reflexion anregen. Ich bleibe nur selten dem Moment verhaftet, denn ich bemühe mich, über ihn hinaus zu gehen, um so eine weitere Stufe der Kreativität und Auseinandersetzung zu erreichen. Die so erlebte Autonomie befähigt mich, mein Werk anzunehmen oder zu verwerfen. Es ist jedes Mal ein Punkt der höchsten Aufmerksamkeit, der über Akzeptanz oder Verwerfen entscheidet. Der Erfolg oder das Scheitern am Thema ist daher Bestandteil und wirkt in seiner eigenen Weise im schöpferischen Akt nach. Ziel ist nicht Perfektion, sondern unterschiedliche Schritte und die damit einhergehende Entwicklung zu betrachten. Das Thema ist so vielfältig wie die Schritte, die man geht. Meine individuelle Aufnahme, mein Empfinden, meine Wertungen und Reflexionen bewirkt die konkrete Anregungen, um die weiteren Möglichkeiten der zukünftigen Kreativität neu zu erkunden. Dann ist auch immer der Zeitpunkt gekommen, wo die Distanz zu meinem eigenen Bild entsteht. Die jeweilige Reflexion setzt bei mir einen neuen Prozess in Gang und lässt gleichermaßen das entstandene Bild eigenständig werden. Nun setzt das Spannungsverhältnis zwischen Fremd- und Selbstinterpretation ein. Der Betrachter lässt das Bild nun vor seinen Augen entstehen und ein ebenso individueller Prozess beginnt. Es gehört zur Weiterarbeit, dass es kritisiert, gelobt, in jedem Fall beurteilt wird. Subjektive Kriterien spielen wieder die Hauptrolle. Die Eigenständigkeit des Bildes bleibt jedoch erhalten und bleibt lebendige Auseinandersetzung.
Dialog mit dem Betrachter
Die Individualität des Betrachters eröffnet jedes Mal das breite Feld der Farbempfindungen. Er ist es, der beim Sehen der Bilder sich selbst erleben kann. Nicht das Bild an sich, sondern die Empfindung des Betrachters stellen einen Wert dar. Das Ursprüngliche in der Bewegung, der Tiefe und der jeweiligen Farbgebung finden ihre Plattform und laden ein, sich in Extreme fallen zu lassen. Daher ist jeder Betrachter immer wieder eingeladen, etwas Neues für sich zu entdecken. Dieses Experiment, das jedes Mal eine Vielfalt an unterschiedlichen Eindrücken entstehen lässt, ist für mich das Spannende am Malen. Nicht das Eindeutige, sondern das Vieldeutige macht neugierig. Mittels der starken Strukturgebung in vielen meiner Acrylbilder versuche ich, nicht nur Plastizität zu erzielen, sondern auch eine sich ständig wandelnde Deutung der Farben herzustellen. An den jeweiligen Kanten bricht sich das Licht genauso individuell wie an den mehrfach übereinander gelegten Farbschichten. Diese Ausdrucksstärke macht es möglich, die Bilder jedes Mal anders wahrzunehmen. Mir geht es um die Sicht und um das Hervorrufen von Emotionen beim Betrachter. Daher ist der Dialog zwischen beiden so entscheidend. Es sind die Augen des Betrachters, die für sich Kunst individuell entstehen lassen und den Bildreiz deuten. In diesem Sinne stellen Bilder lediglich die Instrumente dar, die er nutzt, um sich selbst zu erleben und etwas Neues entstehen lassen kann. Die Agitation der Farben bilden zusammen mit der Strukturbildung und dem Lichteinfall den Gesamtkontext. Die ausdrucksstarken Bilder lassen viel Raum zur Interpretation und sind Quelle für eigene Ideen. Ausgewählte Acrylbilder, die in Essen, München, Eschwege, Wertheim-Steglitz, Berlin und in Pollenca (im Stiftungshaus von Peter Maffay auf Mallorca) zu sehen sind, verdeutlichen meine Stilrichtung und die Kraft der Farben. (Abb. Christiane Middendorf zu Gast bei Peter Maffay)
Ausdruck
Die Ausdrucksstärke meiner Acrylbilder wird vorrangig durch die größtenteils kräftige Farbgebung erzeugt. Die unterschiedlichen Farben stehen mal harmonisch nebeneinander, verbinden sich, und der Betrachter verliert sich in ihnen, mal stehen sie sich aber auch kalt gegenüber und bieten einen Kontrast, der herausfordert.
Das höchste Spannungsmoment tritt aber erst mit dem Einfall des Lichts ein. Es ist das Licht, welches sich in die Farbschichten drängt und für ein immer wieder neues Betrachtungserlebnis sorgt.
Da die Farben oft in mehreren Schichten übereinander liegen, birgt so manches Bild ein Geheimnis, das erst durch das Licht gelüftet wird. Es macht das gesamte im Bild enthaltene Farbspektrum sichtbar.
Die so erzielte Wirkung ist bei jedem Blick unterschiedlich und einzigartig. Die Tatsache, dass man als Betrachter immer wieder etwas Neues sieht, macht für mich die Faszination der Farben und Formen aus.
Begegnet der Betrachters in immer wieder unterschiedlicher Weise dem Bild, tritt ein Automatismus ein, der ihn dazu bringt, sich in immer neuer Weise mit dem Bild auseinander zu setzen. Das Licht und die Brechung des Lichts, wenn es auf einen unebenen Grund fällt (aufgetragene Spachtelmasse), verleiht dem Bild, der Farbe und der gegebenen Form einen immer wechselnden Ausdruck. Die Gedanken, die möglicherweise aufkommende Spannung und das eigene Gefühl laden zu neuen Ideen ein.”
Christiane Middendorf
|
|
|
|
folgender Text wird zitiert:t
Dr. Melanie Puff, Düsseldorf, Kunsthistorikerin
Harmonie der Gegensätze: Der oszillierende Charakter der abstrakten Malerei von Christiane Middendorf
Die abstrakten Acryl - Leinwände von Christiane Middendorf machen es dem Betrachter nicht leicht. Scheinen sie zunächst mit harmonischen Farbkompositionen das Auge zum kontemplativen, ja fast meditativen Verweilen einzuladen, so wird aber auch schnell klar, dass diese Harmonie eine gebrochene, ambivalente ist, die dem Betrachter eine aktive Teilnahme abverlangt. Hier kann er nicht im passiven Konsum an den Bildern vorbeihuschen. Stattdessen muss er sich auf sie einlassen, in sie eintauchen wie in einen eigenen Raum. Und erst wenn er es zulässt, den Raum betritt, erschließt sich ihm ein komplexes Universum Bild gewordener Ideen.
Christiane Middendorf konstruiert dieses Universum mit einer malerischen Technik, die von vielfältigen kunsthistorischen Bezügen zehrt und dabei aber niemals zur Imitation eines Stils, zur historischen Nachahmung verkommt, sondern ihre Kraft aus dem Wechselspiel der vielfältigen Einflüsse bezieht. Was so entsteht, ist keineswegs ein weiteres postmodernes Pastiche der beliebig zusammengesetzten Zitate aus der Kunstgeschichte. Vielmehr gelingt es Christiane Middendorf, aus der Auseinandersetzung mit der Geschichte der modernen abstrakten Malerei einen eigenständigen Ausdruck zu entwickeln, dessen Prinzip die Überlagerung ist – eine Überlagerung sowohl konzeptueller als auch formaler Art.
Dabei sind es vor allem die Einflüsse aus Expressionismus und Abstraktem Expressionismus mit dessen unterschiedlichen Spielarten der gestischen Malerei und dem Informel, die in Christiane Middendorfs Malerei aufeinander treffen. Ihre Vorbilder sind dabei allerdings weniger in der amerikanischen Abstraktion zu finden, als vielmehr eher im deutschen und französisch - italienischen Informel und Tachismus. So denkt man angesichts der Pinselführung zwar an die spontanen Farbsetzungen etwa eines De Kooning oder Motherwell, oder auch an die gestischen Action Paintings von Pollock. Aber die Technik ist hier dennoch eine andere, zwischen Kopf und Gefühl schwankende. Im Gegensatz zu der spontanen, rauschhaften Umsetzung von unbewussten Kollektivempfindungen im dripping - painting, oder auch zur Negation jeglicher Form auf riesenhaften Formaten in der Farbfeldmalerei mit einem Anspruch auf die absolute Geltung der objektiven, entindividualisierten Farbfläche, schreibt sich bei Christiane Middendorf das Subjekt in die Leinwand ein – und dieses Subjekt ist eine komplexe Struktur, die in der Interaktion von bewusst gesteuerter malerischer Umsetzung von Realität und unbewusst empfundener Wirkung dieser Realität auf den Betrachter wurzelt und das Bild zu einem Ort der Begegnung von Realität und Idee, Ich und Anderem werden lässt. Während der amerikanische abstrakte Expressionismus seine überwältigende Wirkung in der Sublimit Act der riesigen Leinwände sucht, geht es hier eher um das Verborgene, Geheimnisvolle. Darin steht Christiane Middendorf den europäischen Künstlern des Informel und des Tachismus nahe. Allerdings ist deren Hang zur Mystifizierung nicht ihr prägendes Stilmerkmal, auch wenn ihre Kompositionen z.B. Ähnlichkeiten mit den späteren Malereien etwa eines Bernhard Schultze aufweisen. Das Geheimnis liegt hier nicht im sich entziehenden Sinn oder in der Leere und dem nicht Fassbaren. Es offenbart sich in der Farbe.
Das erste, was an Christiane Middendorfs Acrylbildern auffällt, ist eine dominierende Farbigkeit, die in ihrer Leuchtkraft an die Pferde Franz Marcs, oder auch an die lebendigen Szenen eines Marc Chagall erinnert. Doch obwohl die Titel durchaus auf reale Natur-Erscheinungen verweisen, ist es die reine Idee, der pure Gedanke, der sich in Christiane Middendorfs Malerei zum abstrakten Bildgefüge verdichtet. Im Gegensatz zur noch im Gegenständlichen verhafteten klassisch expressionistischen Malerei geht es hier zwar auch um eine Verbindung mit der Realität, doch ist diese Realität eine verborgene, versteckte, der Christiane Middendorf in der Abstraktion nachspürt. An die Stelle einer sozialen Komponente tritt hier der Rückzug in die private Sphäre der individuellen Empfindung. Und diese Empfindung manifestiert sich im Entschwinden, in der Spur des Gegenständlichen, die an den Kanten zwischen den einzelnen Farbflächen sowie in den Überlagerungen der Farbschichten hervor scheint und sich gleichzeitig auch wieder verbirgt. Die oszillierende Wirkung der Komposition lässt sie dann zwischen Harmonie und Irritation, zwischen Komposition und Dekomposition schwanken und schafft eine Atmosphäre, die den Betrachter geradezu in das Bild hineinzieht. Er muss sich die Zeit nehmen, sich auf die Spannung zwischen den Farben sowie zwischen den Farben und dem einfallenden Licht einzulassen, um das Geheimnis der Bilder zu erfassen. Erst durch das Sich-Einlassen erfährt er die Gegenwärtigkeit dieser Kunst, die mit der ihr eigenen Realität sowohl eine eigene Sicht vermittelt, als auch den Betrachter dazu initiiert, seine jeweiligen Erfahrungen und Ideen in den Prozess der Auseinandersetzung mit der Leinwand einfließen zu lassen. Dadurch wird er in die Zeit eingebettet, welche er als ein Hier und Jetzt erfährt, das ihm einen Weg zu sich selbst über die dynamische Spannung zwischen ihm, dem Bild und der sich im Bild manifestierenden Individualität der Künstlerin ermöglicht. Im Zuge dieser neuen, aus dem Prozess des Betrachtens erwachsenden Erfahrungshorizonte gelangt er dann zu einem Zustand, in dem das Ich sich selbst als Dialog von Ich und Anderem erkennt und darüber aus seiner heideggerschen isolierten Geworfenheit in die Zeit entkommt.
Christiane Middendorfs Kunst ist damit eigentlich eine interaktive, die aus den vielfältigen Überlagerungen von Farbe und Licht, Idee und Realität, Horizont des Betrachters und Horizont des Künstler-Ichs immer wieder neu und anders erwächst und dabei doch immer sie selbst bleibt. Sie möchte das betrachtende Subjekt nicht in eine kontemplative Versenkung versetzen, über welche es dann in der Selbstvergessenheit eine Gegenwärtigkeit findet. Die Gegenwärtigkeit ihrer Malerei findet sich im Prozess, d.h. in dem Dialog, den die Offenheit der Deutung der Abstraktion, mit ihren Umrissen, die zwischen Andeutungen des Figürlichen und seiner Negation schwanken, in Gang setzt. Darin liegt das Geheimnis ihrer Malerei, in der Oszillation zwischen verschiedenen Polen, aus der ein Spannungsbogen entsteht, der das Erlebnis der farblichen Überlagerungen zu einer Erfahrung des eigenen Selbst werden lässt.
Dr. Melanie Puff, Düsseldorf, Kunsthistorikerin
|
|
|
|
Eröffnungsrede zur Ausstellung "Christiane Middendorf" von der Kulturwissenschaftlerin Donata Holz in der Galerie Andalusien Art, Worpswede am 22.01.2005 Galerie Andalusien Art in Worpswede Meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich begrüße Sie ganz herzlich und freue mich, Ihnen heute die Bilder von Christiane Middendorf vorstellen zu dürfen.
„Die verborgene Welt der Farben“ hat die Künstlerin diese Ausstellung genannt, denn die Farbe ist es, die hier allein zum Bildgegenstand wird und uns bereits auf ersten Blick in den Bann zieht. „Die Freude an Farben, einzeln oder in Zusammenstimmung empfindet das Auge als Organ und teilt das Behagen dem übrigen Menschen mit...“ so formulierte es bereits Johann Wolfgang von Goethe in seiner Farbenlehre. Die Fähigkeit, Farben überhaupt sehen zu können, ist dem Menschen, aber nicht allen Tieren zu eigen. Das Farbensehen ist ein Prozess auf der Netzhaut, bei dem Licht unterschiedlicher Wellenlängen als verschiedenfarbig erkannt werden kann. Der Mensch ist in der Lage etwa 600.000 Farbnuancen zu unterscheiden. Die Kunst hat die von den Farbempfindungen ausgelösten ästhetischen Erlebnisse des Menschen in vielseitiger Weise in ihren Dienst gestellt. Dabei beließ man es nicht ausschließlich bei der ästhetischen Wirkung, die Farbe wurde zu allen Zeiten auf verschiedene Weise zum Symbolträger. Gelb beispielsweise gilt als Farbe der Ewigkeit, aber auch als Zeichen des Neides während Grün als vermittelnde, beruhigende und erfrischende Farbe betrachtet wird, und Violett wird die Eigenschaft der Besonnenheit und des Gleichgewichts zwischen Sinnen und Geist zugeordnet, um nur einige Beispiele zu nennen. In der Kunst hat sich die Position der Farbe im Laufe der Jahrhunderte gewandelt. Bis zum Beginn der Klassischen Moderne galt sie als beschreibendes, authentisches Moment der Natur. Sie wurde zum Ende des 19. Jahrhunderts, mit dem Beginn des Impressionismus, allmählich autonom.
Ab diesem Zeitpunkt setzten die Künstler die Farbe nach ihrer individuellem Empfindung ein. 1888 schrieb van Gogh zu seinem Gemälde 'Der Sämann', auf dem ein gelber Himmel und ein blaues Feld zu sehen ist: „...mit der Wahrheit der Farbe ist es nicht so genau genommen...“ Bald folgten die blauen und roten Pferde von Franz Marc und 1912 postulierte Kandinsky in seiner Schrift "Über das Geistige in der Kunst", den autonomen, vom Gegenstand unabhängigen Ausdruck von Form und Farbe. Es entwickelten sich Kunstformen wie der abstrakte Expressionismus, die freie gestische Malerei des Informel und des Tachismus. In dieser Tradition ist auch die Malerei von Christiane Middendorf zu sehen.
Zufälligkeit bestimmt ihren schöpferischen Prozess ebenso wie die bewusste Wahl, denn in jeder neuen Arbeit versucht sie, die schöpferischen Möglichkeiten zu verändern, indem Bestehendes mal erweitert und mal verengt wird und dabei gleichzeitig Neues erschließt. Trotz ihres freien expressiven Ausdrucks verfolgt die Künstlerin seit vielen Jahren ein Thema. Es geht ihr um die Abstraktion von Brüchen, Trennungen, Verzweigungen und Unterschieden, die sie in ihren Bildern zu einer Einheit bringt. In der Wahrnehmung von Unterschieden, sie zu erkennen und neu zu gestalten, sieht die Künstlerin den Schwerpunkt und vor allem die Herausforderung ihrer Arbeit. Auch wenn sie unter diesem Aspekt ihre Malerei als einen Prozess versteht, so bauen die Bilder nicht zwangsläufig aufeinander auf, sondern entwickeln sich immer wieder neu. Wohl gibt es Reihungen mit Titeln wie "Humus" oder "Multiples", die auf Arbeitsprozesse an einem Thema oder einer Farbwelt verweisen.
„Jedes entstandene Bild hat eine Rückwirkung und bewirkt ein anderes Herangehen an das Kommende. So entwickelt sich ein Lernprozess, der immer wieder die neue Grundlage zur Abstraktion darstellt. Es ist stets eine Auseinandersetzung mit meiner Person", sagt die Künstlerin. So entstehen ihre Bilder auf einem Weg, auf dem Kopf und Gefühl zusammen wirken, kein rein emotional intuitiven Malprozess also, es findet vielmehr eine Verbindung von „Bewusstsein und Empfindung“ statt. Treten wir nun als Betrachter vor die Bilder von Christiane Middendorf, so haben wir keine Chance Anleihen an figurative Elemente oder Gegenständliches zu finden. Zu gern sucht der Betrachter zunächst nach Bekanntem im Bild, um sich ihm leichter nähern zu können. Doch hier geht es nicht um eine schnelle Erkennbarkeit, vielmehr zwingen uns die Bilder inne zu halten. Sie ziehen uns unweigerlich in die Tiefe und fordern uns heraus, das Geheimnis zu ergründen, das Geheimnis, das die verborgene Welt der Farben offenbart. Schauen wir uns nun die Bilder gemeinsam an. Als erstes möchte ich auf das zweite Bild in der Reihe eingehen. Mit gestischen Bewegungen, so scheint es, hat die Künstlerin die Farbe hier aufgebracht. Dabei nutzt sie meist nur einen Pinsel für das gesamte Bild, so dass sich die Spuren der verschiedenen Farben immer wieder miteinander vermischen Hier haben wir die unterschiedlichen Gelb- und Ocker- und Rosttöne. Es gibt keine klaren Lininen, vielmehr scheinen die Übergänge diffus, die Farben schweben miteinander über das Bild. Dieser Prozess wird zwar von der Künstlerin durch die Wahl der Leinwand begrenzt, doch kann man sich durchaus vorstellen, dass sich die Bewegungen der Farben fortsetzen. Anders ist es mit diesem Zeichen dem weißen Kreuz dort oben in der Ecke. Ein klar definiertes Zeichen, wie man sie in den Arbeiten von Christiane Middendorf nur selten findet. Hier scheint als hätte es hier seine feste, unverrückbare Position, weist es uns vielleicht auf das Geheimnis hin, das in diesem Bild verborgen liegt.?
Eine Explosion von Farben sprengt in dem nächsten Bild nahezu die Leinwand. Aus einer großen Tiefe des Bildes scheinen die Farben an die Oberfläche zu drängen. Im Gegensatz zu den vorherigen gedämpften Tönen sind es leuchtend kräftige Farben wie Rot, Gelb, Blau und Orange Sie bahnen sich ihren Weg und suchen sich seinen Raum, dabei, so scheint es, will sich jede die erste Position erobern. Vergleichen wir jetzt diese beiden Bilder miteinander, so fließen die Farben im ersten Bild eher zusammen, schmiegen sich aneinander und gleiten gemeinsam weich über die Fläche. Im zweiten Bild stehen die Farben eher einzeln für sich, die Abgrenzungen sind klarer, die Kontraste sind eindeutig. Dennoch gibt es keine klaren Linien, die durch das Bild führen. Eine Farbfamilie finden wir wiederum in der Reihe, der die Künstlerin den Titel "Humus" gegeben hat. Hier bestimmen erdige Tönen von Schwarz über Braun bis zu Ocker das Bild, ergänzt durch weiße Akzente. Sie sehen allein an diesen drei Bespielen wie facettenreich und immer neu die Kompositionen der Farben sein können. Sie bieten ein Fülle immer neuer Möglichkeiten und Variationen. Die von der Künstlerin angelegten Brüche, Trennungen und Verzweigungen ahnen wir innerhalb der Verläufe und Bewegungen der Farben. Gleichzeitig nehmen wir eine große Tiefe in den Bildern wahr, die Künstlerin baut ihre Bilder in unterschiedlichen Schichten auf, so dass die Farben scheinen auf unterschiedlichen Ebenen zu liegen scheinen und so ebenso auch Mittler und Zeichen für Zeit und Raum werden. Galerie Andalusien Art in Worpswede Ein wichtiger Faktor bei der Betrachtung der Arbeiten ist das Licht, das durch seine ständig wechselnde Position die Bilder verändert und anders erscheinen lässt. Die Künstlerin bezieht diesen Faktor bewusst in ihre Entwicklungen ein: „Da die Farben oft in mehreren Schichten übereinander liegen, birgt so manches Bild ein Geheimnis, das erst durch das Licht gelüftet wird" sagt sie. Auf diese Weise lassen sich die Bilder immer wieder neu betrachten und offenbaren immer wieder andere Aspekte, Ansichten und Wahrnehmungen. In manchen Bildern kommt es zu einer gewissen Plastizität, einmal durch den pastösen Auftrag von Farbe und zum anderen durch eine zarte Modellierung von Spachtelmasse. Diese Arbeitsweise holt die Bilder aus ihrer Flächigkeit heraus und macht sie lebendig. Gleichzeitig wird an diesen Stellen das Licht auf besondere Weise gebrochen, so dass sich wiederum neue Dimensionen ergeben.
Wir als Betrachter vertiefen uns nun in die einzelnen Kompositionen, entdecken die verborgenen Welten, die sich in immer anderer Weise offenbaren und die ein jeder von uns für sich ganz individuell spürt und wahrnimmt. Farben lösen bei uns unterschiedliche Stimmungen und Gefühle aus. Wir fühlen uns angezogen oder abgestoßen, spüren Wärme und Kälte, so dass das ein Farberlebnis nicht allein das Auge, sondern auch die weiteren Sinne berührt und Emotionen auslöst.
„Die Freude an Farben, einzeln oder in Zusammenstimmung, empfindet das Auge als Organ und teilt das Behagen dem übrigen Menschen mit, sagte Goethe und weiter heißt es: „Ich habe nichts dagegen, wenn man die Farbe sogar zu fühlen glaubt.“ Kandindsky geht mit seinen Betrachtungen über die Farbe noch ein Stück weiter: Bei dem Anblick von Farben, so Kandinsky, „kommt ein physische Wirkung zustande , das Auge selbst wird durch Schönheit und andere Eigenschaften der Farbe bezaubert. Der Schauende empfindet ein Gefühl von Befriedigung, Freude, wie ein Gastronom, wenn er einen Leckerbissen im Munde hat. Oder es wird das Auge gereizt, wie der Gaumen von einer pikanten Speise. Es wird auch wieder beruhigt oder abgekühlt wie der Finger, wenn er Eis berührt(...) Und ebenso, wie das physische Gefühl der Kälte des Eises, wenn es tiefer eindringt, andere tiefe Gefühle erweckt und eine ganze Kette psychischer Erlebnisse bilden kann, so kann auch der oberflächliche Eindruck der Farbe sich zu einem Erlebnis entwickeln.“ Eben diese Möglichkeit der verschiedensten Empfindungen und Erlebnisse bieten die Arbeiten von Christiane Middendorf, lässt man sich offen und frei auf die Kompositionen ein.
Meine Damen und Herren, in diesem Sinne wünsche Ihnen jetzt spannende Erlebnisse in der "Verborgenen Welt der Farben" von Christiane Middendorf und der Ausstellung viel Erfolg.
Donata Holz Kulturwissenschaftlerin
|
|